Zerstörung durch Renovierung

Wohnungsbau der 20er Jahre in Ottensen unter Baudirektor Oelsner

Je schmuckloser ein Bau, desto wichtiger das Detail

Und desto wichtiger ist es, dass man dem Architektenentwurf nicht auch noch seine letzten Pointen raubt. Wenn ein Gesamtkonzept nur auf wenigen Schmuckelementen beruht, darf keins fehlen, und seien es Fenstersprossen.

Als das Gradlinige und Unverschnörkelte die Seelennudeln des Jugendstil ablöste, war das ein Aufreger. Heute sind die graden Linien und freien Flächen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Wie aufregend sie vor 100 Jahren wirkten, kann kaum noch jemand nachvollziehen.

Bei einem Teil der heutigen Architekten stehen die Innovationen der 20er Jahre wieder hoch im Kurs. Man sieht, dass sie der Schule eines Schumacher, Schneider oder Gustav Oelsner entstammen.

Schneider-Wohnbau, Hamburg

Wohnbauten der Zwanziger in Bahrenfeld

Die Häuser der Zwanziger werden manchmal nicht einmal als solche erkannt, denn vieles im Wiederaufbau der Fünfziger übernahm einige Kennzeichen. Sie leben aus den Proportionen. Ihre Akzente sind sparsam gesetzt.

Einer der wichtigsten Akzente ist die waagerechte Teilung der Fenster. Diese zu beseitigen heißt, dem Haus die Augen auszustechen.

Was aber tun, wenn der technische Fortschritt eine bessere Isolation gegen die Kälte möglich macht und dies auch aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen geboten ist?

An diesem Häuserensemble sind noch weitere beklagenswerte Sünden getan worden, die ich gar nicht zeigen mag. Rechts, die Treppenhausverkleidung aus den Sechzigern -- nicht zu lange hinsehen!
Grauenhaft entstellt -- nicht zu lange hinsehen!

 

Die alten Fenster müssen raus, wir haben jetzt Termopane-Scheiben

Viele Häuser verraten, dass der Besitzer die einfachste Lösung gewählt und das schlichte Quadrat oder Rechteck mit nichts als Glas hat füllen lassen. Hinzu kommt ein verbreiterter Rahmen, der die Fensterfläche je nach Größe des Fensters um einige Prozent verringert. Das ist umso akuter, je kleiner das Fenster ist, und gar Badezimmer- und Toilettenfenster werden zu plastikbewehrten Schießscharten reduziert. Ein Fenster mit einer Fläche von einem Quadratmeter dürfte also bei einer Rahmenbreite von 5 cm ca 20% seiner Größe einbüßen.

Hier ist mit den Fenstern auch irgendwas danebengegangen

 

In früheren Zeiten schützte man sich mit Doppelfenstern wirkungsvoll vor der winterlichen Kälte. Die Doppelfenster schufen ein Luftpolster, das besser gegen Zugluft schützte als die modernen Fenster. Gelüftet wurde durch Öffnen eines Oberlichts.

Durch den Gebrauch von Doppelfenstern (Kastenfenstern) oder ähnlichen, durchdachteren Lösungen hätte die Entstellung dieser architektonischen Juwelen verhindert werden können.

Wohnbauten in Bahrenfeld

Glücklicherweise haben viele Hausbesitzer Verständnis für die Feinheiten bewiesen und haben auch nach der Renovierung Fenster einsetzen lassen, die dem Stil ihres Hauses adäquat sind.

Dafür gebührt ihnen Dank.

Wohnhaus in Altona
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