Das Dritte Reich

Fast wie Neues Bauen -- aber nur fast.

Und damit sind wir bei der Epoche, die eine scheinbare Sicherheit und gemütvollen Heimatbezug anbot: Dem Dritten Reich. Seine Bauten sind gekennzeichnet von zwei Merkmalen: Zum einen geklaute Versatzstücke des Neuen Bauens, zum anderen nostalgische Details, die die Neuerungen wieder in eine seltsame Art von Heimat(schutz)stil zurückführen. Ein Verlagshaus mitten in Hamburg mit dem Gesamteindruck des urbanen Bürobaus altertümelt unvermittelt mit der Möchtegern-Urigkeit der Natursteine an den Pfeilern der Bögen, und die senkrecht und waagerecht geteilten Fenster verraten Spießigkeit und mangelndes künstlerisches Vermögen der Architekten.

Ein Haus lädt ein mit dem schutzbietenden, tief herabreichenden Dach und den hölzernen Fensterläden. Versammelte sich hier hoffnungsvolle Jugend? Ich habe es nicht herausgefunden.

Watzenweg 1, Lohbrügge

Baujahr 1938

Was nun fehlt, hat der Meißel aus dem Schlußstein der Tür getilgt.

Berlin

Ein Gebäude am Kaiserdamm, das sich freundlicherweise als 1940-43 gebaut ausweist.

Doch den, der sehen kann, hätte allein der Baustil schon über die aggressive Natur der NSDAP aufgeklärt. Denn eingebettet ist all dies in grobe, schwere und oft auch düstere Strukturen, jeder Stadt ihre kleine Wewelsburg, ja, jedem Häuserblock sollte etwas von Trutzburg anhaften. Sie waren keine politischen Amateure, das drückt sich in der Architektur aus. Widerstand ist zwecklos. Wir sind die Bewegung. Auch hier können wir die Kunstgriffe erkennen. Die Wahl des hellgrauen Steins schafft Distanziertheit und Härte. Kaum billigt Dekor so etwas zu wie menschliche Nähe. Kennzeichen der Weihe: Säulen, Kennzeichen der Würde: Arkaden; Kennzeichen des Absolutismus: Hohe schmale Fenster vor Räumen von imponierender Höhe; Kennzeichen der Wehrhaftigkeit: Die Wandstärke, die durch die Innenverkleidungen der Fenster suggeriert wird, die eine noch größere Tiefe vorgeben, als wirklich vorhanden.

Sophienterrasse, Hamburg

Die kleine Schwester des Luftfahrtministeriums in Hamburg, die seinerzeit die Generalkommandantur enthielt und heute (noch) die Bundeswehr beherbergt
Faschistisches Ehrenmal in Lucca, Italien

Schon zuvor, in den späten 20er Jahren, drückte sich der italienische Faschismus in einer ähnlichen Formsprache aus. Auch dieser feierte mal den Fortschritt und die Technik und passte sich zu anderen Zeiten chamäleonhaft der Umgebung an, so wie hier, mit einem Bezug auf die traditionelle Architektur.

1936/37 entstand der Altstädter Hof in Hamburg.

Auch hier finden wir wieder die Vermengung von Kennzeichen des Neuen Bauens -- der Gebrauch der Ziegel, die waagerechten Fensterscheibchen -- mit nostalgischen Elementen wie diesem Erker mit walzenartigen Kragsteinen. Darunter ein schmiedeeisernes Gitter mit den Jahreszahlen der Entstehung.

Altstädter Hof von 1936/37
Aufgang zum Hof

Den Hof begrenzt nach einer Seite eine Pergola, die, zusammen mit dem Torbogen über der Treppe, einen romantisch-mediterranen Anstrich gibt und zusammen mit den seltsamen Stützriegeln unter dem Sims einen Widerspruch gegen das Konzept der Fenster schafft.

 

Stadtplanung als politisches Lenkungsmittel?

Wie auch in der Neustadt, im Bereich der zu gleicher Zeit geschaffenen Bauten am Kornträger- und Rademachergang, wurde hier ein fremdes Element geschaffen, denn dort und auch hier wurde der Höhenunterschied nicht durch Treppen, sondern durch ein Gefälle der Straße überbrückt.

Altstädter Hof
Schließlich waren Handkarren das übliche Transportmittel für Waren in den Gängen der Vorsanierungsbebauung gewesen. Eine Blockierung wichtiger Durchgänge, hier und auch am Kornträgergang, einem wichtigen Zugang zum Großneumarkt, wurde die Steigung als Treppe interpretiert, was der Versorgung der dort liegenden Straßenzüge Hinternisse auferlegte. Wenn das Absicht war, so richtete sich die Maßnahme in erster Linie gegen den Kleinhandel, gegen Proletariat und jüdische Händler.

Der Maurer, Relief an einem Haus von 1936

Auf einem Hamburger Haus von 1936 findet sich eine Reliefserie von Handwerkern, die am Bau beschäftigt sind. Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den Figuren, die Kuöhl geschaffen hat. Ob sie nun auch von ihm stammen oder nicht -- er hat immer schon irgendwie dazu gepasst. Es ist ein wenig beängstigend, wie geschmeidig der Übergang von seiner Kooperation mit dem Hamburger Senat der Weimarer Republik in die Arbeit für die Herrscher ab 1933 verlief. Sie gipfelt im Denkmal für die 67er am Dammtor im Gestus der Gleichschaltung und Opferung des Einzelnen.

Figurenschmuck von Richard Kuöhl am Altstädter Hof
 

Nach anfänglicher Förderung des Wohneigentums erging sich der Nationalsozialismus hauptsächlich in der öffentlichen Bautätigkeit. In dieser verlor man jedes Maß, was Größe, Nützlichkeit oder auch soziale Verträglichkeit der Projekte betraf.

Über Bautätigkeit in der NS-Zeit

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Ein Denkmalstreit Zurück