Mietbauten im Wandel

Der Wiederaufbau auf dem Mietsektor

 

Schauen Sie sich das nebenstehende Bild einmal an -- ich tu's ungern. Verzeihen Sie,  ich werde bessere Bilder zu dem Thema beschaffen, versprochen. -- Nicht nur, dass der Architekt fantasielos nach einem bewährten Konzept für die Treppenhaus-Lisene gegriffen hat, nämlich die vertiefte Laibung der Siewissenschon, er hat sich auch nicht entblödet, eine Drahtplastik als "Kunst am Bau" schaffen zu lassen, auf der vier Kinder im Tanz ersterben, weil dieses Ambiente ihre Glieder schwer macht wie Blei.

Wiederaufbauprodukt in Ottensen

Wohnsiedlung in Ottensen
Was in den 50er Jahren und in den 60er Jahren an Wohnblocks entstand, hat auch im umfassenderen Sinne die Bezeichnung "Brutalismus" verdient. Zu diesem kommen wir noch -- und zu seinem Scheitern.
 

Aber wir wollen ja nicht ungerecht sein. Als dieses Haus fertig war, wurde es sicher mit Freuden bezogen. Es mag eine große Erleichtung gewesen sein, aus einer beengten Behelfsunterkunft in eine solche Wohnung zu ziehen.  Das Jahr 1945 war noch nicht vergessen. Die Bilanz der Zerstörungen in Hamburg war gigantisch.

Wiederaufbau-Wohnbau

265 000 Wohnungen waren verloren

Als der Krieg endete, waren 46% der Hamburger Bürger ohne Wohnung, und hinzu kamen zahlreiche Flüchtlinge. Menschen, die mit nichts angekommen waren als dem, was sie auf dem Leibe trugen, wussten es nach der ersten Erleichterung über ihr Überleben zu schätzen, wenn nach und nach normale Umstände eintraten. Zu diesen gehörte, dass man sein Bad und seine Toilette nicht mehr mit anderen Mietparteien teilen musste.

 

Balkons aus der Betonzeit, liebevoll bepflanzt...
Wohnbauten in Bramfeld

In den darauf folgenden Jahrzehnten vollzog sich vielfach eine Anpassung, je nach Mietniveau. Während die Wohnbauten für untere Einkommensschichten hauptsächlich aus den 60ern und 70ern stammen, werden die qualitativ oft besseren Bauten aus den 50ern renoviert, manche zusammengelegt zu großzügigeren Apartements. Das Wohnen in den ach, so zukunftsgerichteten Großsiedlungen kann inzwischen mit Hartz-IV-Bezug, Vandalismus und Verfall in Zusammenhang gesehen werden.

Graffiti vor dem Hintergrund des Brutalismus

... und Betonwände, kraftvoll bemalt

Besserung ist in Sicht

Vorstadt-Wohnungen in Bramfeld

Der Brutalismus wurde im Wohnungsbau unmodern, das Experiment war gescheitert.

Inzwischen war ein bestimmter Vorstadt-Stil so sehr zur Metapher des Bauens geworden, dass man ihn auch in der Innenstadt anwandte -- wo er irgendwie deplaziert wirkt. Die Wohnungen in den Kohlhöfen, rechts, mögen komfortabel sein, haben aber nichts von urbanem Wohnen und geben dem, der diese Straßen aus seiner Kindheit kennt, das Gefühl, im falschen Film zu sein. Ebenso befremdlich sind in Mecklenburg die Plattenbauten im dörflichen Umfeld, ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen implantiert.

Kohlhöfen, Hamburger Neustadt

Kohlhöfen/Thielbek, Hamburger Neustadt

Als die erste Not gewendet war, fingen Planer und Architekten an, sich auf die Bedürfnisse der Menschen zu besinnen. Zu lange hatte man über die Menschen hinweg geplant, als seien sie stapelbare Ware.

Das Gegenbeispiel: Heutiger Standard und neue Nachaltigkeit

Man muss aber nicht unbedingt nur bei wohlhabenden Mietern nachsehen, um gute Beispiele zu finden. Diese Siedlung ist an Menschen vermietet, deren Einkünfte gedeckelt sind, die Vermietung ist also wie bei Sozialwohnungen an eine obere Einkommensgrenze gebunden.

Innenhof der Siedlung

Es handelt sich also um eine bürgerliche Wohnzeile. Sie ist aber auch zum Teil an sozial schwache Familien vermietet. Auch sie kommen so in den Genuß des Wohnens in soliden, gut isolierten Bauten. Die Gestaltung ist unprätentiös und legt Wert auf Funktionalität.

Es gibt hier Etagenwohnungen, Laubengänge und Maisonettes; auf der gleichen Etage liegen mal kleinere, mal größere Wohnungen. Das Bekenntnis zum Neuen Bauen zeigt sich z.B. in Lösungen wie den Eckfenstern.

Laubengang
Wohnhaus von 1997

Der Klinker zeigt natürliche Varianten der Farbe. Die Klinkermauern wechseln mit Beton ab, der hier aber nicht brutalistisch wirkt. Die Balkongitter sind sichtlich industrieller Herkunft, nichts wird kaschiert.

Die Siedlung ist mit einem zweiten Preis ausgezeichnet worden.

Wohnsiedlung der Neunziger

Balkongitter
Die eleganten 50er Zurück