Der Brutalismus als Konzept der Stadtplanung

Keine Beschimpfung durch die Nachwelt

Auch wenn man es vermuten könnte: Der Begriff "Brutalismus" wurde nicht geschaffen, um einen Stil zu kritisieren. Er entstand schon früh mit dem Konzept, den rohen, unverputzten oder sonstwie kaschierten Beton sichtbar bleiben zu lassen. Es lag darin auch ein Stolz auf die Technik, die erlaubte, dass man Bögen, Kuppeln und Hallen errichten konnte, indem mit Verspann-Elementen unsichtbar entlastet wurde, was zu stürzen drohte. Dass dies nicht immer gelang, beweist die Berliner Kongresshalle, die "schwangere Auster", wie sie spöttisch genannt wurde, die 1980 einstürzte.
Ein Konstruktionsfehler hatte Korrosion der Stahlelemente zur Folge gehabt.

Das kann überall und immer wieder passieren. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Hotel in Portugal, niemals fertiggestellt

Bauruine in Portugal
Burgruine in Portugal: Guimaraes

Auch das ist Brutalismus

Guimaraes, eine Wehrburg in der Mitte von Portugal, wurde im 11. Jahrhundert auf der Grundlage einer älteren Klosteranlage errichtet. Heinrich von Burgund erhielt sie als Lehen in einem Gebiet, aus dem vorher die Mauren vertrieben worden waren. Der Ursprung des Baus liegt also in einer kriegerischen Zeit, in der Reconquista. Schroff und kompromisslos durfte sie wirken, und sie war es durch die Verwendung des heimischen Granits. Niemand dürfte dabei die Absicht gehabt haben, den rohen Naturstein als Stilmittel zu gebrauchen. Die Burg war ein Zweckbau, einzig auf Verteidigung ausgerichtet, ein Militärdenkmal. Die Absicht war, brutal jedes Eindringen zu verhindern.

Guimaraes ist direkt auf den gewachsenen Felsen aufgesetzt
Öffentliches Gebäude

Ähnlich wirken die Bauten des 20. Jh. auf mich. So, wie in den frühen Fünfzigern nach Konzepten der Vierziger weitergebaut wurde, so ist die Modernität dieser Bauten nur scheinbar. Führt man sich vor Augen, dass Hamburgs oberste Instanz in Stadtplanungsfragen, der immer noch durch einen Straßennahmen geehrte Baudirektor Hebebrand, ein intimes Verhältnis zu Diktaturen hatte und am Busen Speers ruhen konnte, nachdem er mit den Sowjets geflirtet hatte (diese Liebe war allerdings einseitig gewesen), dann erlaube ich mir die These aufzustellen, dass die eigentliche Fortsetzung des faschistischen Bauens der Brutalismus war, auch wenn der Augenschein diesen Schluss nicht sofort erlaubt. Liest man aber die Begründungen der Planung von City Nord oder Ost-West-Straße, scheinen sie Selbstzweck zu sein, nicht um den Menschen zentriert. Wie immer in Diktaturen, geht es nicht um sie; und eine leise Freude über die Freiheit, die die Zerstörungen mit sich brachten, klingt ebenfalls durch.

Brutalismus an der Willy-Brandt-Straße

Was da schön ist, ist das gespiegelte Licht, nicht der Bau

Wehrburgen des Kapitalismus:
Die autogerechte Stadt

Die City Nord in Hamburg ist eine Sammlung von weit auseinanderliegenden Solitären. Sie ist gegen den Menschen gebaut, aber "autogerecht", und dieses Stichwort liefert einen Schlüssel für meine Theorie. Die Kollektion von Wehrburgen, als die uns diese Geschäftsstadt entgegentritt, besteht aus inzwischen nicht mehr zeitgemäßen Einzelbauten auf von vornherein sehr groß dimensionierten Grundstücken. Es sollte nicht kleinteilig gebaut werden.

Zwar wurde von den Planern eine Mindestfläche für Grünanlagen vorgeschrieben, aber dieses Grün nützt dem Menschen wenig, wenn er es nur aus der Ferne ansehen kann.
City Nord
Somit entlarvt sich das Grün zwischen den Firmenburgen als reines Alibi. Es ist umso nutzloser, als das Gelände an den Stadtpark grenzt. Die einzeln und verteidigungsbereit dastehenden Burgen der großen Firmen signalisieren auch die Unnahbarkeit der Konzerne

Am beliebtesten sind immer noch die "kleinteilig" bebauten Stadtteile

Am beliebtesten sind weiterhin die Stadteile, in denen man wohnen, arbeiten und die Freizeit zubringen kann.

Allerdings: Der Mensch ist kleinteilig.

Kleinteilige Bebauung ist weitaus menschenfreundlicher. Nicht nur, dass Le Corbusier, den Grundstein zu diesem Elend gelegt hatte, indem er die Trennung von Wohnen und Arbeiten postulierte; es kam noch hinzu, dass dieser Stadtteil ausschließlich für den motorisierten Nutzer konzipiert ist. Fußgänger werden durch die enormen Strecken zwischen den Bauten von jeglichem Spaziergang abgehalten. Der öffentliche Verkehr wurde ignoriert und später durch Buslinien ergänzt, die ebenso im Stau stecken wie die Autos.

Städte, die nur durch Motorisierung erschließbar sind, breite Fahrbahnen, an denen die Fußgänger demütig warten oder wie gejagtes Wild vor Fahrzeugen flüchten: Das ist die Schattenseite der autogerechten Stadt. Die City Nord kann als Exempel für eine Stadt dienen, die aus dem Unter-Bewusstsein der Diktatur geschaffen wurde.

 
 

Die Motorisierung war ein Lieblingskind des Faschismus

Hitler tat es dem Vorbild des italienischen Faschismus mit seiner Leidenschaft für die moderne Technik nach, indem er die Idee des Volkswagens entwickelte. Nur der Individualverkehr würde gewährleisten, dass sein kriegerisches Volk mit eigenen Wagen in die eroberten Gebiete nachziehen konnte. Der Lebensraum im Osten konnte militärisch genommen, aber nur mithilfe von individuell motorisierten Neusiedlern kolonisiert werden. Für die logistische Leistung der Weltherrschaft war die Motorisierung des ganzen Volkes notwendig, und das Instrument hieß NSKK.

Hamburg ist diesem Gedanken-un-gut treu geblieben. Der Ursprung desselben wurde jedoch vergessen. Man vergaß ihn auch, als die Straßenbahn abgeschafft wurde, denn inzwischen waren die meisten Bürger Autofahrer und waren nicht für zukunftsorientierte und ökologisch-ökonomische Verkehrskonzepte zu begeistern.

Aber das ist eine andere Geschichte.

Hitlers amerikanischer Freund

Henry Ford 1888

Henry Ford, der Vater der Motorisierung in den USA, stand Hitler mit seiner antisemitischen Haltung zur Seite
Die schöne Seite des Brutalismus Zurück