Historismus: Wir können's noch besser

Cremon, Hamburg

Es gab gotische Speicher, aber genau so sahen sie nicht aus

Historismus als freies Spiel mit dem Detail

Dem Historismus ging es zwar um das historische Erbe. Dieses zu restaurieren und zu bewahren, galt es nun; aber nicht genug damit, nein, die Parole lautete, im selben Stil nachzubauen, neuzubauen und -- was das Schlimmste war -- an vorhandenen Altbauten weiterzubauen, als könne man es besser.

Ein gutes Beispiel ist das Bergedorfer Schloss. Es wurde um 1899/1900 umgestaltet und erhielt einen Turm an der Nordwestseite, der schlecht zum Gesamtbild einer holländisch beeinflussten Backsteingotik passen will. Doch die Südfront war noch vergleichsweise gut davongekommen. Schlimmer erwischte es die Rückseite, die mit einem martialischen Wehrturm ausgestattet wurde.

Vorderseite des Schlosses heute

Bergedorfer Schloss vor der Renovierung

 

Was manchmal so verwundert, ist, dass die damaligen Baumeister nicht aus Unkenntnis so mit den alten Bauten verfuhren. Die Details der neuen Partien belegen, dass sie die Formensprache der Gotik genau studiert hatten und das Instrumentarium beherrschten. Wenn sie so in das Konzept der alten Bauten eingriffen, dass man schon von einer Entstellung sprechen kann, dann war das Ausdruck ihres Stolzes, eines Glaubens an die Überlegenheit der Neugotik, nennen wir es mal Arroganz.

Ich finde mehr Beispiele für diese Haltung. Von kaum einem Schloss konnten sie die Finger lassen. Wie anders ist die heutige Einstellung, der Respekt, den viele heutige Restauratoren der alten Bausubstanz entgegenbringen.

Nordwestturm des Bergedorfer Schlosses

Historismus am Gänsemarkt

Venezianisch anmutender Historismus mit charmanten Säulen. Neuromanisch. Doch was ist das? Eine gotisch anmutende Spitze wird dadurch geschaffen, dass man den Bogen brutal in einem 90°-Winkel knickt? Auf sowas konnte nur das 19.Jh kommen.

 
Maskarons in der Neurenaissance Zurück