Was blieb nach 45?

Siedlungshaus von 1950

Mit dem Heimatstil kann man nichts falschmachen

Siedlungshaus von 1950

Wir gehen aus heutiger Sicht von einem großen Bruch aus, wenn wir das Jahr 1945 betrachten, und politisch war er das auch. Die Ideologie des Nationalsozialismus war von außen besiegt worden; das war der springende Punkt. Innerlich musste noch eine Menge Arbeit geleistet werden, damit das Bewusstsein nachfolgte. Man warf nicht alles über den Haufen; neue Baupläne waren noch nicht verfügbar, die Zeit drängte, die Menschen mussten untergebracht werden, sowohl die Ausgebombten, als auch die neu zuströmenden Volksdeutschen aus den verlorenen Gebieten. Flugs also die alten Pläne auf den Tisch und auf die stilistische Aussage gepfiffen.

Es ist mir rätselhaft, warum eine solche Naziburg als Kirche in Borgfelde gebaut werden konnte. Entschied denn nicht der Kirchenvorstand über die Vorschläge? Sah denn niemand die Verknüpfung von Ideologie und Bauform?

... gehen wir hinein wie in einen Gottesdienst...

Fand wirklich niemand etwas dabei?
Kreishaus in Stade, 1954

Und mit der gleichen Selbstverständlichkeit muss der Stadtrat von Stade den Entwurf gebilligt haben, der für die Errichtung des Kreishauses 1954 gewählt wurde. Die Augenbrauen der Stirnfront werden von den gleichen funktionslosen Kragsteinen getragen, die dem Sims am Ehrenmal der 67er die Stabilität zu verleihen scheinen, und die gleichen, allerdings putzig-klein, begleiten die Eingangshalle unter ihrem Gurtgesims. Die schmucklosen Säulen erinnern entfernt an die Laibungen am Berliner Luftfahrt-Ministerium. Auch von dem rechts abgebildeten Haus wüsste ich nicht zu sagen, wann es gebaut wurde. Die Kennzeichen eines "richtigen" Hauses waren verinnerlicht. Die Flachdach-Experimente der Bauhaus-Ära waren hohnlachend abgewiesen worden; es gab sogar eine Vorschrift, Steildächer nachträglich auf Flachdach-Bauten zu setzen.

Die "Neue Heimat" über das Bauen im Nationalsozialismus und danach

Bauzeit ungewiss

Stark renoviert, aber im Charakter nicht wesentlich verändert

Wieso ist das ideologisch?

Es sind nicht so sehr die Einzelheiten, die inzwischen nicht mehr als belastet wahrgenommen werden. Es gab zwar die Diskussion Flachdach contra Steildach; das Klima redet jedoch ein Wörtchen mit und hat dem Steildach zunächst Pluspunkte zugeteilt. Heute ist das Flachdach nicht mehr mit den Kinderkrankheiten der 20er Jahre behaftet, die notwendigerweise auftauchten. Die technischen Probleme sind gelöst; das Flachdach hat sich sogar als nutzbarer, weil begrünbarer und bewohnbarer Raum, erwiesen und bietet Chancen, den Wärmestau der Stadt zu lindern. Dennoch hat der Heimatstil-Typus des Eigenheims den Sieg davongetragen. Davon gleich mehr.

Die Nationalsozialisten  hatten die Absicht, dem Bürger die Planung und die äußere Gestaltung der Häuser exakt vorzuschreiben. Mit dem Verbot des Flachdaches war der Anfang schon gemacht. In dieser diktatorischen Haltung liegt das eigentlich Brisante.

"Das hätte es früher nicht gegeben..."



 

 

Nur teilzerstört -- leider

Die Gleichgültigkeit, mit der die äußeren Formen nach 1945 fortgeführt wurden, sagt etwas darüber aus, wie wenig Sensibilität dafür es gab, was ein Baustil aussagt -- so wenig wurde also auch wahrgenommen, wieviele alte Seilschaften sich in den Behörden und Verbänden gehalten haben -- nicht nur im Bauwesen.

Hier der Beweis

Teile des Hauses an der Schleusenbrücke, wenige Schritte vom Hamburger Rathaus, scheint der Krieg verschont zu haben, denn unmittelbar unter der Zahl 1939 ahnt man noch die Kontur dessen, was da ein Meißel sorgfältig entfernt hat. An der anderen Hausseite erfährt man, welche Liebe und Sorgfalt hier der Wiederherstellung gegolten hat, während Wimmels Esplanade mitsamt dem Haus von Heinrich Heines Schwester 1958 pulverisiert wurde.

Hätte man sich das nicht wirklich sparen können?

Restauration -- nur im Bauwesen?
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