Vom Gängeviertel zur Gängelung des Viertels

Wohnhaus am Kornträgergang

Neues Bauen sieht
eigentlich anders aus

Wir schreiben das Jahr 1937, ein Wohnviertel ist vollendet, ein solides Heim für den Volksgenossen, mitten in Hamburg, am Rademachergang/ Kornträgergang in der Neustadt, dort, wo die Spitzhacke kurz zuvor den Gängevierteln den Garaus gemacht hat. Denn diese waren schon lange den Mächtigen ein Dorn im Auge, die wiederum ein gutes Argument hatten: Die beengten und unhygienischen Verhältnisse in den Gassen. So kam es nach dem Ersten Weltkrieg zu einem rechten Bauboom, im Kontorhausviertel ebenso wie in neuen Vorortsiedlungen.

Die Neustadt war Schauplatz von Kleinhandel (Judenbörse) und anderem Gewerbe mit  Handkarrentransporten. Eine Treppe gab es hier früher nicht: Wollte man alte Strukturen zerschlagen/vergessen machen? Siehe auch Altstädter Hof

Früher gab es hier keine Treppe

Erker am Kornträgergang

Volkstümelnde Erker ignorieren lokale Traditionen

 

Die Nationalsozialisten gaben sich anfangs behaglich.

Große Wohnviertel wurden gebaut, und wenn nicht so viele Menschen eine Besserung ihrer Lage verspürt hätten, wären diese überwältigenden Wahlsiege wohl kaum denkbar gewesen.
Der Schritt zur Naziarchitektur war nicht krass. Die Architektur der Hitlerzeit brach weniger mit der Vergangenheit als das für viele doch befremdliche Bauhaus.

 

Gängeviertel 1952
Bislang waren die verwinkelten Gassen Fluchtorte für polizeilich wie politisch Verfolgte gewesen; es gab Schlupfwinkel in Kellern und geheime Durchbrüche, durch die man in die Parallelstraße verschwinden konnte.
Die Handwerker am Memelhaus hämmern gleichgeschaltet
 
Ein anderer Hummel, jung und kämpferisch

Hier herrschte ab jetzt ein neuer Ton. Hinter dem Anschein von gutmütiger, volkstümlicher Gemütlichkeit verbirgt sich eine spürbare Ideologie.

Schöpfer der Brunnenfiguren wie auch der Gestalten weiter unten war Richard Kuöhl, der auch schon für Schumacher gearbeitet hatte.

Aber der Wasserträger ist kein von seiner Arbeit verbrauchter und darum griesgrämiger alter Mann, wie der historische Bentz es war. Kuöhls Wasserträger ist ein junger Held, der für Deutschland Wasser trägt -- und wenn ihn auch die Welt daran hindern wollte. Er ist ein Soldat der Versorgung.

 

Das waren wohl die letzten Dreistigkeiten dieser Epoche
Bentz war in eine Wohnung gezogen, die vorher der Soldat Hummel bewohnt hatte.
Dieser erzählte gern von seinen Kriegsabenteuern und war daher bei den Kindern sehr beliebt, und sicher riefen sie auch nach seinem Fortgehen (Tod?) nach ihm. Das geschah wohl kaum, um den neuen Mieter zu ärgern.
Den erschöpften Bentz werden sie also sinnlos gestört haben, was dieser mit Grobheiten quittierte.
Auch sie lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen

Wir sind gemütlich, aber wir können auch anders.

Der Pannkoken-Bläser, der Sottje mit der Katze, sie sind scheinbar freundliche Glücksbringer an einem Wohnblock aus der gleichen Zeit an der Steinstraße. Und die wehrhafte Heldenmutter propagiert das zeitgemäße Frauenbild.

Die Symbolfiguren der Anbiederung beim Volk werden inzwischen Folklore. Die ideologische Absicht gerät in Vergessenheit, vielleicht ist es gut so.

Der Glücksbringer grinst verschlagenDragoner vom Altstädter Hof    
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