Heimatschutzstil

Pfarrhaus von 1912/13

Die letzte Blüte des Kaiserreiches

Kurz vor dem I. Weltkrieg herrschte in Deutschland, das offensichtlich auch wirtschaftlich von der Reichsgründung 1871 profitierte, genügend Wohlstand, um dem Großbürgertum das Bauen von schönen Villen zu ermöglichen. Die Schere zwischen Reich und Arm war weit geöffnet, darum waren solche Bauten für eine Familie zugeschnitten, die in erheblicher räumlicher Großzügigkeit leben konnte. Während das Beispiel links sich äußerlich recht bescheiden gibt, ist es innen mit 5 großen Wohnräumen plus Mansardenwohnung, einer großen, holzgetäfelten Diele und einer Pantry neben der Küche ausgestattet. In vielen Vororten befinden sich diese Art großbürgerlicher Villen in bester Wohnlage. Zu einer Familie gehörte damals sicherlich auch Personal, und so sind dies Zeugnisse der Götterdämmerung des Kaiserreiches.

Villa in Reinbek, Heimatstil der Gründerzeit

Heimatstil war schon im l9. Jh im Schwange. Hier ein Beispiel aus Reinbek. Dieser Stil ist gerade in den Sachsenwald-Dörfern sehr beliebt gewesen

Mietshaus in Ottensen
 

Siedlungshaus

 

 

1904 wurde der Heimatschutzbund in Dresden gegründet. Ziel war, die regionalen Eigenheiten in der Architektur zu bewahren und herauszustellen. Dies sollte möglichst ohne oder mit sparsam verwendetem Ornament geschehen. Der Ansatz, landschaftlich eingebettet zu bauen, ging jedoch verloren. Der Gedanke einer regionalen Eigenständigkeit passte nicht in national betonte Konzepte.

Der Heimatschutzstil betraf nicht nur Einfamilienhäuser. Links ein kurioses Beispiel einer Riesenvilla für eine große Zahl von Mietparteien. Sie steht in Ottensen, am Rande eines eher proletarischen Wohngebietes. Balkone und große Fenster waren zur Zeit, als dieses Haus gebaut wurde, noch keine Selbstverständlichkeit. Das Walmdach soll trotz der Höhe des Hauses altväterliche Heimatbezogenheit suggerieren. Das Haus entstand 1910, und der Architekt war kein Geringerer als Höger, der Vater des Chilehauses.

Der Chauvinismus in der biederen Maske

Die Gesellschaft, die sich so gediegen und heimelig gab, rief nur Monate später dazu auf, in Paris einzufallen. Aber auch nach der großen Katastrophe des Krieges 1914-18 hatte der Heimatschutzstil nicht abgewirtschaftet. Im Gegenteil.

Das Walmdach, erkerartige Anbauten und hölzerne Fensterläden, das waren Kennzeichen einer Heimatbezogenheit, die nicht unbedingt regional authentisch war, die aber bestimmte emotionale Saiten zum Klingen brachte, und sie formten auch das Siedlungshaus nach 1945. Das umso mehr, als das Erlebnis des Heimatverlustes bei so vielen Menschen eine traumatische Wirkung hatte. Der Heimatschutzstil endete niemals wirklich, er lebt auch heute.

Villa in Fuhlsbüttel

Anheimelnde Details

Anheimelnde Details: Fensterläden, Mansarden, Holzverschalung am Giebel
 

Dem Nationalsozialismus kam der Heimatschutzstil ganz gelegen, jedoch wurde er zu etwas anderem. Der lokale Bezug, der den frühen Vertretern dieses Stils so wichtig gewesen war, verschwand, und eine Art nationaler Stil trat an seine Stelle. Diese Gau- und HJ-Häuser sahen zwischen Berchtesgaden und Flensburg gleich aus.

Typisches Siedlungshaus der Nachkriegszeit

Siedlungshaus von 1950
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