Neurenaissance

2572 Accesos | Última modificacion 28 oct 2016 - 13:03:49 Por Laetitia Siebert
Haus in Ottensen

Historismus als Fahrzeug des Fernwehs

Ein Mietshaus soll natürlich so aussehen, dass sich jeder Mieter wie ein kleiner Renaissance-Fürst fühlt. Jeder Meier ein Medici. Und warum auch nicht? Die Demokratie steht vor der Tür.

Die Eisenbahn macht es möglich, dass der Massentourismus entsteht, und nicht wenige überqueren die Alpen, was früher mit der Postkutsche eine Tortur war, die man sich gut überlegte. Das Großbürgertum kann sich den Palazzo Pitti anschauen und beschließen: Den unteren Teil unseres Hauses lassen wir auch so als Werkstein-Kassetten machen. Notfalls auch nur als Putz.

Auch Meiers haben die unerträgliche Romantik der nächtens in Rom rauschenden Springbrunnen erlebt.
So einen gibt es nun auch auf dem Hansaplatz im Karree der Bauten, die rundum dem Dekor des 16. Jh nachempfunden sind.

Der Italienischen Renaissance abgeschaut

Springbrunnen am Hansaplatz (Farben manipuliert)

Justizgebäude am Sievekingplatz

Es mag die Größe einer Epoche gewesen sein, die den Stil so attraktiv machte, die italienischen Stadtrepubliken mit gebildeten und aufgeklärten Bürgern; es mag die Zeit Dürers sein mit Handwerksgilden und Luthers trutzigem "Ich kann nicht anders". Vielleicht war es auch das Aufblühen des Welthandels, das an die expansive und koloniale Zeit erinnerte, in die wir uns hineinzudenken versuchen.

"Hamburger Hof"

Was uns schon an den Bauten der Neugotik aufgefallen ist: Die Baumeister und Stukkateure kennen ihre historischen Vorbilder. Die Werke der vergangenen Jahrhunderte wurden akribisch analysiert und dokumentiert. Die Kunst, Ornamente zu konstruieren, wurde zur Wissenschaft erhoben und die Handwerker wurden durch zahlreiche Musterbücher mit Vorlagen versorgt. In vielen Fällen haben die Baumeister dieser Epoche die alten Bauten, die sie "verbessern" wollten, nachkorrigiert, sogar überformt und beschädigt. Aber in anderen Fällen ist die Nostalgie der Gründer-Baumeister von Respekt vor dem historischen Vorbild getragen. Möglicherweise haben sie sogar Formen bewahrt, deren Originale verschwunden sind.

Das hat aber dazu geführt, dass ein Rathaus in Hamburg gebaut wurde, das absurd überdekoriert und völlig unzeitgemäß war, schon als es fertiggestellt wurde. Die neue Baukunst war bereits lange über diesen Stand hinaus und in der Moderne angekommen.

Mansarden mit solchem Schmuck hätte es in der Renaissance nie gegeben

Rathausportal Hamburg, 1888 begonnen, bei Eröffnung ein Anachronismus


Navegación por etiquetas Navegación por etiquetas