Üppig oder schlicht

4628 Visualizzazioni | Ultima modifica 27 ott 2016 - 18:52:42 Da Laetitia Siebert
 
Roeselius-Haus in Bremen

Die Weser-Renaissance: Stolzer Prunk

Der Erfinder des entkoffeinierten Kaffees erfand auch das entrenaissancete Renaissancehaus (Bild links). Es steht in Bremen und beherbergt ein Museum. Einen Umbau in den Zwanziger Jahren verraten die um 45° gedrehten Aufsätze auf den Giebeln. Dergleichen hätte man zur Bauzeit des Hauses auf keinen Fall gemacht. Kleine Obelisken oder hohe, schmale Pyramiden: Das war im Sinne der Renaissance. Die Stadtwaage, ebenfalls in Bremen, ist weitgehend eine Rekonstruktion, jedoch spiegelt sie immer noch die üppige Schönheit der Weser-Renaissance wider. Wie anders die Baukunst sich nördlich der Alpen artikulierte, verglichen mit der Italienischen Renaissance!

Weser-Renaissance in Bremen: Die Stadtwaage
Arkaden des Reinbeker Schlosses

Ausnehmend charmant: Reinbek

Das Reinbeker Schloss aus dem letzten Drittel des 16. Jh. ist einer der schönsten Renaissancebauten nördlich der Alpen (meine Meinung). Holländische Baumeister schufen diesen Flügelbau mit zwei Arkadenreihen, die lange Jahrhunderte in zugemauertem Zustand dahinvegetierten. Ein neugotisches Treppenhaus wurde beherzt entfernt, eine mutige und gute Entscheidung.

Reinbeker Schloß: Hof mit Galerie
Esteburg, Estebrügge bei Jork

Renaissancebauten konnten auch völlig schlicht daherkommen. Dieses kleine Schloss, die Esteburg in Estebrügge, war ein einfacher Verwaltungsbau mit einem Graben. Es war gegen halbherzige Angriffe gerüstet. Kleine Scheinkanonen können sich zwischen Drohhaltung und Dekoration nur schwer entscheiden. Was verrät die Bauzeit in der späten Renaissance? Überwiegend die Proportionen des Hauses und Detail wie die kleinen Ausschmückungen in den Ecksteinen. Der entlastende Bogen über dem Fenstersturz ist ebenfalls ein Zeichen, wurde aber auch in anderen Epochen verwendet.

Scheinkanonen an der Esteburg

Sachlich und schroff

In Prag (ich rechne Böhmen mal großzügig zum deutschen Sprachraum, die Tschechen mögen mir verzeihen) erhebt sich dieser eher schmucklose Verwaltungsbau in schwindelnder Höhe, der 1618 eine radikale Lösung eines politischen Konfliktes sah: Hier wurden die kaiserlichen Gesandten aus dem Fenster geworfen, was den Anfang des Dreißigjährigen Krieges markiert. Die steinernen Fensterkreuze sind ein Hinweis auf die Bauzeit -- aber auch solche Merkmale wurden im 19. Jh. gern imitiert.

Auch das Bergedorfer Schloss -- wir werden es noch im Zusammenhang mit der Neugotik wiedersehen -- ist kaum als Renaissancebau zu erkennen. Die Ostfront, ältester Teil, ist der schlichteste und zeigt, dass das Gebäude Amtsitz war, aber wenig repräsentative Funktion hatte.

Ostseite des Bergedorfer Schlosses

 

 


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