Über den Paradieshof

3493 Visualizzazioni | Ultima modifica 28 ott 2016 - 11:30:22 Da Laetitia Siebert

Ich höre immer "Peterstraße"...

Peterstraße um ca. 1900
Die Peterstraße zeigte vor hundert Jahren das gleiche Bild wie die Neustadt zumeist: Altbauten des einfacheren Zuschnitts, von Proletariat und Handwerkern bewohnt, nicht etwa eine Folge von dekorierten Portalen.
Potjomkinsche DörferDiese Sammlung von Abriss-Relikten, auf Neubauten montiert, ist Hamburgs baulicher Jurassic Park. Man kann irgendwie nichts mehr glauben. Die Authentizität ist beschädigt.

Oh, nein, nicht, dass Sie glauben, Hamburg hätte noch komplette Reihen von Barockgiebeln, es hätte sogar eine komplette Barockstraße, nämlich die Peterstraße! Die ist bis auf ein stark verändertes Originalhaus nur eine Reihe von Neubauten, in die die letzten zusammengesuchten Versatzstücke des Barock eingelassen sind. Nachdem die Stadtplaner in den 50er und 60er Jahren agiert hatten, als seien ihnen die Zerstörungen durch den Bombenkrieg noch nicht weit genug gegangen, kam in den 70er Jahren ein Erwachen, ausgelöst durch Bürgerproteste und von ihnen gebildete Vereine, die sich für die Rettung der übriggebliebenen Baudenkmäler einsetzten. Da schuf dann das schlechte Gewissen ein "Barock-Disneyland" (wie es Ralf Lange in seinem Architekturführer nennt), besagte Peterstraße, für das auch noch die tatsächlich noch vorhandene alte Bausubstanz geopfert wurde. Aber die war ja "nur" proletarische Neustadt.

Die Ecke Hütten/Peterstraße heuteDie Ecke Peterstraße/Hütten heute. Leicht zu erkennen: Das Eckhaus ist ein kompletter Neubau.

Hinweistafel auf die "Judenbörse"

Hinweistafel auf den Ort als Handelsplatz der Neustadt

Das Schlimmste an diesem Fake ist die soziale Verfälschung eines armen zu einem wohlhabenden Viertel. Um die Ecke gibt es auch noch eine Hinweistafel auf den Judenmarkt, der "hier" stattfand. Geografisch ja. Aber die heutige Szenerie erweckt einen völlig falschen Eindruck. Es war eine typische Neustadtstraße mit Bewohnern, die sich Häuser wie die nebenstehenden wohl kaum hätten leisten können. Hier ein Foto von der Elbstraße, wie sie wirklich aussah.

Das heutige Gesicht des Ortes ist Teil der Fiktion. Die Elbstraße, heute Neanderstraße, ist in einer Weise umgestaltet worden, die geeignet ist, die Vergangenheit gründlicher zu verwischen, als wenn man die Straße komplett modern bebaut hätte. Denn das hätte die Veränderung offengelegt. So ist sie ein für Besucher nicht erkennbarer Teil der Geschichtsklitterung.

Neanderstraße, ehemals Elbstraße

Die ehemalige Elbstraße war der Schauplatz der "Judenbörse"

Was den Paradieshof so kostbar macht:

Es ist eines der ganz wenigen barocken Mietshäuser, die in Hamburg erhalten blieben. Der Paradieshof existierte sogar noch, als die Replik gebaut wurde, er steht aber am Alten Steinweg 11, nah dem Großneumarkt. Die Kopie wurde von der F.V.S. (Alfred-Töpfer-Stiftung) in der Neanderstraße, 230 m vom Original, erbaut, als die Rettung des Ursprungsbaus sehr fraglich war (unten). Sie ist nicht in allen Einzelheiten exakt; vor allem hat die Kopie auch hinten geschweifte Barockgiebel, die das Original nicht hatte.

Inzwischen sind aber die zerstörten Giebel am Alten Steinweig, von denen nur die Voluten (Bildmitte) noch Zeugnis ablegten, wieder ergänzt.

Und es gibt ein Schildchen an den Neubauten (rechts): "Dieses Haus stand Alter Steinweg 51/53"... Hallo?? Das steht da noch! Und es stand auch, als diese Kopien geplant, gebaut und das Schild angebracht wurde. Könnte das nicht langsam korrigiert werden?

"Dieses Haus stand Alter Steinweg 51/53"... Hallo??

Abriss der Giebel nach dem Krieg

Das, was das Kritik geäußert wird, kann sicher als Undankbarkeit ausgelegt werden. Man könnte die Kritiker fragen, ob es ihnen lieber wäre, wenn das alles verloren gegangen wäre. Natürlich nicht. Sondern die ganzen Häuser mit Stumpf und Stiel hätten erhalten bleiben sollen, und die Stadtplaner sollen gefälligst um die alten Schätze und die gewachsenen Pläne herumbauen anstatt umgekehrt. Anderwo geht das auch.

"Hau weg den Scheiß"

Und so sah der Paradieshof aus -- ohne Giebel und mit eben noch erkennbaren Voluten, rechts --, als die Kopie gebaut wurde.

Links ein Foto von 1948, auf dem die Giebel auf der Hofseite noch teils erhalten sind, teils abgerissen werden. Nix Kriegschaden. Wenn das einer war, hatte sich der Bomber aber 5 Jahre lang verflogen. Ich las, dass sie baufällig waren und aus Sicherheitsgründen abgerissen werden mussten. Man hätte sie ja auch sichern können, bis Zeit war, sie gründlich zu renovieren...

Wenigstens wurde der komplette Abriss verhindert. Als Torso stand der Bau bis in die Neunziger da, Foto von 1979. So habe ich den Paradieshof 1992 noch täglich vor Augen gehabt.

Konservierung geht anders

Wenn von Rettung die Rede ist, kann ich das, was da passiert ist, nicht als Rettung ansehen. Man arbeitet anders in der Restaurierung/ Konservierung. Man gibt der Wahrheit einen höheren Stellenwert als der Schönheit und macht sehr deutlich sichtbar, was Original ist und was hinzugefügt wurde -- und man beschränkt sich bei der Hinzufügung auf das konservatorisch Allernötigste. Das hätte hier auch geschehen sollen.

Volutenreste in der Fassade des Paradieshofs

 


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